Raketenpost-Start in Österreich mit Modellraketen
(100. Geburtstag Ing. Friedrich Schmiedl)

Vor 70 Jahren (in Zeiten ohne Fax oder Internet) "erfand" Ing. Schmiedl die Postbeförderung mittels Raketen und wir, die Philatelistische Gesellschaft Graz (www.phila-graz.at.tt) veranstalteten zu seinem 100. Geburtstag 2 Ausstellungen und eine Neuauflage der Raketenpostbeförderung.

Angeregt durch den Bericht auf VOX (Spiegel TV-Extra) über Stefan Wimmer aus Berlin und seine Flüge in der Schweiz setzte ich mir in den Kopf, dasselbe in Österreich zu veranstalten und musste feststellen, dass Modellraketen hierzulande unbekannt sind und in keinem Gesetzestext vorkommen.

Stefan Wimmer beim Postraketenstart in Laucha (Deutschland/Thüringen):

Stefan riet mir, mich mit Oliver Missbach in München unter www.europerocketry.com und www.modellraketen.info in Verbindung zu setzen und hier konnte ich dann die ersten Erfolgre erzielen: Es gibt ja doch EINEN Raketenbauer in Österreich, der sich mit High-Power Raketen auskennt und sie bei uns starten will: Herbert aus Vorarlberg.

Zusammen mit Johannes aus Göppingen / Deutschland (im orangefarbigen Overall) fingen wir "bei Null" mit den Vorbereitungen an und kämpften uns durch den Paragraphendschungel Österreichs. Dutzende e-Mails später und nach einigen Besprechungen in Graz (von mir ca. 160 km weg) stand dann unser Programm fest: Am 10.5. eine Ausstellung mit den damals (von 1928-1934) geflogenen Raketenpostbriefen plus ein Sonderpostamt mit Sonderstempel; am 11. und 12.5. insgesamt 5 Raketenstarts mit Postbeförderung plus Probestarts und ebenfalls ein Sonderpostamt mit Sonderstempel.

Herbert und Johannes bauten eigens für diese Veranstaltung neue Raketen (2,1 und 2,4 m lang) mit genügend Platz für jeweils 450 Briefkuverts. Sie verwendeten Aerotech J350–Motore bei einem Startgewicht von 6 bzw. 5,5 kg; unsere Flughöhe war mit 500m über Grund amtlich limitiert worden.

3 Tage vor Beginn fand in Semriach auch eine "Begehung" der Bezirkshauptmannschaft statt, zu der ein Pyrotechniker geladen war, der sich dann telefonisch von Herbert über die Motore "aufklären" ließ.

Die Philatelistische Gesellschaft Graz bereitete 4 x 450 Briefe für die Beförderung vor, weiters konnten wir viele Gleichgesinnte erreichen, die auf ihren Webseiten für unsere Veranstaltung warben: http://home.ionet.net/~paroales , http://home.t-online.de/home/Rob.Keller/news/news.html und auch der erste Zeitungsbericht erschien: www.grazer.at/linkart.asp?artikelid=10352&KatID=4.

Auf unserer mühsamen Suche nach Sponsoren fand sich nur die Fa. TRODAT (www.trodat.net), die uns die erforderlichen Stempel dankenswerterweise zur Verfügung stellte.

Die Veranstaltung wurden durch die Ing. Friedrich Schmiedl-Stiftung (www.graz.at/schmiedl-stiftung/), die Stadt Graz(www.graz.at/) bzw. die Marktgemeinde Semriach (www.semriach.at) gesponsert (Quartiere, Ehrengast, Einladungen, etc.).

Unsere einzigen reellen Einnahmen stellten die verkauften Briefe dar, deshalb fuhr ich in den Wochen zuvor mit meinem dekorierten Auto zu jeder größeren philatelistischen Veranstaltung und sammelte Bestellungen.

Nun war es soweit, am 9. Mai brachen meine Frau und ich mit 2 vollgepackten PKW´s nach Semriach auf, Herbert traf am selben Abend aus Vorarlberg ein und unser erster Weg führte uns zur Feuerwehr, die die Sicherungsaufgaben vor Ort übernehmen musste.

"Locker vom Hocker" plauderten wir über die Vorbereitungen und besprachen den Veranstaltungsablauf; gerade noch rechtzeitig, denn die Kameraden wussten selbst nicht ganz genau, was zu geschehen hatte. Sie waren auch diejenigen, die uns und den Zusehern während der Starts Getränke anboten – daran hatte sonst niemand gedacht.

Am Freitag (10.5.) gab es für mich eigentlich kaum etwas zu tun, nur ein Modell einer Schmiedl-Rakete (Nachbau aus Alu-Blech) borgten wir uns aus dem Luftfahrtmuseum Graz-Thalerhof (www.luftfahrtmuseum.at) aus und bei dieser Gelegenheit besichtigten wir dann die dort ausgestellten Stücke:

Johannes traf am Abend in Semriach ein und wir, unsere lieben Ehefrauen und unsere Kinder genossen den bezahlten Arbeitsurlaub in freudiger Erwartung der Raketenstarts.

Die Nacht von Freitag auf Samstag war bei mir durch aufkommende Nervosität gekennzeichnet, schon gegen 3:00 Uhr war ich hellwach, wollte mir dann die ISS anschauen (war aber erst gegen 4:33 zu sehen http://spaceflight.nasa.gov/realdata/sightings/SSapplications/Post/SightingData/Vienna.html ) und so versuchte ich noch bis ca. 7:00 Uhr zu dösen, danach ging es für mich hinaus auf den Startplatz einer Wiese am Ortsrand (am unteren Bildrand in der Mitte; Startpunkt beim "I" vom Wort Semriach):

 

Gegen 9:00 Uhr wurde der Raketenflugtag offiziell vom Bürgermeister Ing. Taibinger eröffnet, ich konnte den Ansprachen aber nicht folgen und verzog mich wieder zur Wiese, wo Herbert und Johannes bereits ihre Startrampen aufgebaut hatten und im Zelt die Raketen präparierten:

Um auch die Gäste unterhalten zu können stellte ich eine (ausgeliehene) Lautsprecheranlage auf´s Dach meiner Micra-Mouse und wir begannen den Tag mit Musikbegleitung (man beachte bitte auch die Raketen-Atrappe auf meinem Autodach!).

Inzwischen traf auch der Ehrengast der Veranstaltung ein: Österreichs 2. ausgebildeter Kosmonaut Dr. Clemens Lothaller, der trotz voller Ausbildung "nur" Ersatzmann und daher nicht im Weltraum war, aber 1992 bei der ESA gearbeitet hat. Er startete alle Postraketen, erzählte über die sowjetische Raumfahrt und gab Autogramme.

Am Startplatz gab es ein Wiedersehen mit seinem Ex-Chef DDr. Willibald Riedler und einigen Projektleitern der "Austromir"-Versuche; 2 davon halfen auch uns bei der Veranstaltung: DI Bruno Josseck spendete uns 100 Weltraum-Bücher, die wir gegen freie Spende an die Zuschauer abgeben konnten und DI Günther Jernej brachte Ordnung in das Chaos am Startplatz, betreute die Zuschauer und Fotografen und protokollierte jeden Start (eine Auflage der Behörden und ein "Zuckerl" für die Sammler der Briefe).

Die erste Ladung Briefe wurde uns geliefert und in Herberts Rakete verstaut. Gleichzeitig startete Johannes als erstes eine kleine Proberakete, die relativ weit abgetragen wurde und jenseits der (gesperrten) Gemeindestraße landete. Daraufhin richteten wir die Startrampe dementsprechend neu aus....

Zum Start der ersten Postrakete kamen etwa 300 Zuseher, wir erwischten sogar ein Windloch und der VIP-Flug (102 Kuverts so wie Schmiedls erster Postflug 1931) war wie aus dem Bilderbuch: Die Rakete landete kaum 50 Meter neben dem Startgestell!

Jeder Mitarbeiter der Veranstaltung bekam später einen VIP-Brief plus Urkunde überreicht. Bürgermeister, Bezirkshauptmann, Ehrengäste und Philatelisten waren begeistert, wir hatten einen erfolgreichen Auftakt zu verzeichnen und nun fiel mir ein riesengroßer Stein vom Herzen !

2 Kamerateams vom ORF und einem Lokalsender verfolgten die Starts oder besser: wollten sie verfolgen; am Abend in der Sendung "Steiermark heute" (ORF) bekamen alle Zuseher 2 aus dem Bild startende Raketen zu sehen – die Landung am Fallschirm war dann wieder im Bild ....

Die weiteren Raketenflüge mit den Philatelisten-Briefen teilten sich Herbert und Johannes auf, so konnte immer einer den Zusehern Rede und Antwort stehen, während der andere seine Rakete präparierte.

Die Briefe wurden nach der Beförderung gestempelt und gleich vor Ort zum Verkauf angeboten. Wir hatten bis dahin schon über 100 Vorbestellungen, sogar aus USA, Großbritannien und China (!).

Zwischen "unseren" Postraketenflügen starteten auch 2 Besucher ihre Raketen, ganz besonders umjubelt war eine Luft-Wasser-Rakete die von allen Umstehenden aus nächster Nähe bestaunt werden konnte und dabei auch einige Personen "abkühlte".

Nach dem 3. erfolgreichen Postbeförderungsflug am Samstag "zauberte" Günther eine Flasche Sekt hervor und wir konnten auf diesen gelungenen Tag anstoßen. Hr. Peter Henker aus Griesheim/Deutaschland fertigte sehr schöne Billets mit Fotos von Raketenpostbriefen und -starts an, die er vor Ort großzügig an uns verschenkte – vielen Dank dafür!

Wir hatten großes Wetterglück, alle Starts konnten bei strahlendem Sonnenschein und geringem Wind abgehalten werden; trotz der schlechten Prognose "hielt" das Wetter auch am Sonntag noch durch und die Gewitter begannen erst am Abend (waren dann aber so heftig, dass die Feuerwehr in Alarmbereitschaft stand....).

Da wir an beiden Tagen beste Sichtverhältnisse hatten, erübrigten sich eigentlich die vorgeschriebenen Anrufe bei der Flugsicherungsstelle Graz-Thalerhof, bloß einmal entdeckte ein Zuseher einen Segelflieger, dessen Verschwinden wir abwarten mussten, da auch der Flughafen keinen Funkkontakt zum Piloten hatte.....

Ein Philatelist der Gmünder Weltraumfreunde (www.stoeckl-farbenhaus.at/) stellte uns in Aussicht, im kommenden Jahr ebenfalls Raketenflüge durchführen zu wollen, mal sehen was daraus wird und wer sich diese viele Arbeit nochmals antun möchte.

Wir jedenfalls genossen tolle Tage in der Steiermark, kamen alle wieder wohlbehalten nach Hause und hoffen, hier in Österreich auch einen Anfang gemacht zu haben. Nochmals spezieller Dank an: Gemeinde Semriach, Fa. Trodat, Stefan, Jürg, Oliver, Günther, Clemens und natürlich Herbert und Johannes. Nicht zu vergessen auch der Dank an unsere strapazierten Ehefrauen, die uns seit Monaten und Jahren geduldig unterstützen!

Text und Fotos Peter Haslinger, 26.5.02

Hinweis: Weitere Informationen zum Postraketenstart gibt es auf modellraketen.info: Unter Service/Veranstaltungen finden sich offizielle Dokumente, Presseberichte sind in der Bibliothek zu finden.

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