Modellraketen oder Raketenmodellsport?

Die Namenskonfusion scheint zumindest in Deutschland perfekt zu sein. Hier gibt es Modellraketen, aber auch Raketenmodelle, und dazu Raketenmodellsport wie Modellraketenbau. Oder hätten Sie lieber gerne ein bischen von allem, etwa Modellraketenmodellsportflugbau?

Was ist denn nun der richtige Ausdruck für unser Hobby? Gehen wir in die USA, dem Ursprungsland des Hobbies. Dort heißt es schlicht model rocketry, übersetzt also Modellraketenbau. Niemand käme auf die Idee, rocketry model zu sagen. Auch in Osteuropa, wo das Hobby sehr stark ist, steht etwa auf der Packung eines slowenischen Herstellers modelarska raketa. Und auf der Verpackung jugoslawischer Motoren finden wir ein modelarski raketni motor aufgedruckt.

Wie sieht es bei anderen Modellbausparten aus? Hier wird etwa im Modellflugbereich von Modellflugzeugen gesprochen, weniger von Flugzeugmodellen. Denn ein Flugzeugmodell kann auch ein kleines Plastikflugzeug aus dem Spielwarengeschäft sein, während wir unter einem Modellflugzeug dann normalerweise doch das fliegende Gerät aus dem Modellbaugeschäft meinen.

Wobei wir schon beim Punkt sind: ein Raketen-Modell ist in erster Linie das Modell einer (real existierenden) Rakete, während der Schwerpunkt bei Modell-Raketen auf dem Wort Modell liegt. Also ein Modell, daß wie eine Rakete funktioniert. Ein Raketenmodell, z. B. die Scaleversion einer Saturn V, kann auch flugfähig sein, muß aber nicht. Auch das Plastik-Standmodell einer Saturn ist ein Raketenmodell, aber keine Modellrakete, da es nicht flugfähig ist.

Dazu kommt noch ein sprachlicher und psychologischer Effekt, der gerade bei relativ unbekannten Hobbies in der Öffentlichkeit nicht unterschätzt werden darf. Das Wort Rakete ist oftmals negativ belegt, man denke an die Atomraketen (die übrigens auch nicht Raketenatom o.ä. heißen!). Bei Modellraketen dagegen steht das Modell im Vordergrund, es wirkt nicht so negativ. M klingt auch als Buchstabe weicher und runder als R und macht dadurch den Begriff insgesamt sympathischer.

Wie sieht es nun mit dem Sport aus? Der Zusatz Modellraketensport wurde in den 80er Jahren eingeführt, als es darum ging, die Modellraketen in den Deutschen Aero Club zu integrieren. Der DAeC war damals bestrebt, in den Deutschen Sportbund einzutreten, um die Gemeinnützigkeit zu erhalten und mit ihm an die vermeintlich großen Geldfördertöpfe zu kommen. Auf einmal waren Worte wie Hobby oder Basteln nicht nur verpönt, sondern lt. DAeC auch "schädlich". Denn der DSB mußte davon überzeugt werden, daß Modellflieger ebenso gute "Leistungssportler" und "Kader" sind wie die Anhänger der bestehenden klassischen Sportarten. Und natürlich auf keinen Fall Leute, die ab und zu mal aus Spaß ein paar Flugrunden drehen, den Spaß und Freizeit haben im harten Sportlerleben nichts zu suchen!

So wurden aus Wettbewerben Kaderveranstaltungen mit Leistungsklassen und am 22.1.86 schrieb Werner Groth, damaliger Modellflugreferent des DAeC, an den Verfasser: "Wir sind auch keine Bastler, sondern Sportler, die ihr Sportgerät selbst entwerfen und bauen. Und außerdem betreiben wir kein Hobby, sondern Sport".

Nachdem die Zeiten ideologisch geprägter Sprachvorschriften und Wirrungen auch in den Funktionärskreisen des DAeC hoffentlich überwunden sind, darf sich der einfache Flieger wieder darauf freuen, ein Hobbybastler zu sein und kein hochgezüchteter Leistungssportler. Und er darf zu seinem Sportgerät wieder Modellrakete sagen und muß nicht heimlich die Türe zuschließen, wenn er bastelt statt sich an seinem Sportgerät zu ertüchtigen.

In diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn auch im Sprachgebrauch der Modellraketenflieger wieder eine Entideologisierung eintritt und auf überflüssige Relikte einer nicht immer produktiven Epoche dieses Hobbies verzichtet wird. Bekennen wir uns also zu dem, was wir machen - wir fliegen Modellraketen!

Oliver Missbach, 19.01.99

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(c) 1999 Oliver Missbach