Recht und Gesetze

WIE JEDER ANDERE BEREICH AUCH IST AUCH DAS FLIEGEN VON MODELLRAKETEN GESETZLICH GEREGELT. ALLERDINGS HAT ES DER MODELLRAKETENFLIEGER WEITAUS SCHWERER. DIE ENTSPRECHENDEN VORSCHRIFTEN AUSZULOTEN, DA DAS HOBBY EIN GANZ KLEINER BEREICH IST UND KAUM ETWAS DARÜBER IN DER LITERATUR ZU FINDEN IST. COUNTDOWN-REDAKTEUR OLIVER MISSBACH WILL MIT DIESEM ARTIKEL EINEN ÜBERBLICK ÜBER DEN AKTUELLEN STAND GEBEN.

Zunächst muß festgestellt werden, daß sich die gesetzlichen Vorschriften für den Flug von Modellraketen in der BRD nicht in einem Gesetz oder einer Verordnung wiederfinden, sondern auf eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen verteilt sind. Dabei ist das meiste auch für andere Flugmodelle, wie etwa Hubschrauber oder Flugzeuge, gültig. Allerdings läßt sich feststellen, daß in einigen Punkten schon vom Gesetzgeber an uns Modellraketenflieger gedacht wurde. Für uns zutreffend sind vor allem sprengstoffrechtliche und luftrechtliche Bestimmungen.

Im sprengstoffrechtlichen Bereich sind in der BRD folgende Bestimmungen zu beachten:

1. Das Sprengstoffgesetz (SprengG)

2. Die Erste Verordnung zum SprengG

3. Die Zweite Verordnung zum SprengG

4. Gefahrengutverordnung Straße.

Lt. Sprengstoffgesetz und den zwei Zusatzverordnungen werden pyrotechnische Gegenstände in 5 verschiedene Klassen eingeteilt (§ 6 1.SprengV): Von Feuerwerksspielwaren bis zu pyrotechnischen Gegenständen für technische Zwecke, der Klasse T. Diese Klasse ist für uns interessant, den in diese fallen unsere Modellraketen-Treibsätze. Die Klasse T ist noch einmal in TI und T2 unterteilt; unter T1 fallen alle Motoren bis zu einem Füllgewicht (pyrotechnischer Effektsatz) von 20 g, unter T2 alles, was darüber liegt.

Treibsätze der Klasse T1 können ohne besondere Genehmigung ab 16 Jahren frei gekauft und das ganze Jahr verwendet werden. Treibsätze der Klasse T2 dürfen nur von solchen Personen verwendet, gekauft etc. werden, die eine Genehmigung nach §27 des SprengG. haben. Eine solche Genehmigung kann unter gewissen Auflagen (Nachweis eines Bedürfnisses, in der Praxis heißt das Mitgliedschaft in einem Verein, Zuverlässigkeit etc.) erteilt werden, wenn der Bewerber eine entsprechende Fachkunde nachweisen kann. Unter Fachkunde versteht man dabei die Teilnahme an einer Prüfung der zuständigen Behörde oder an einen staatlichen oder staatlich geprüften Lehrgang (§ 9 SprengV). Die Erlangung einer solchen Genehmigung ist leider in der Praxis oft recht schwierig, hierzu werden wir in einer der nächsten Ausgaben einen eigenen Artikel im COUNTDOWN bringen. Zuständige Behörde ist in der Regel das Gewerbeaufsichtamt.

§ 8 der 1. SprengV bestimmt u.a., daB die Treibsätze eine Zulassunganummer der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung haben aüssen. In der Praxis heißt das, daß alle Motoren, die in der BRD geflogen werden dürfen, von der Bundesanstalt (BAM) geprüft und zugelassen sein müssen. Das gilt vor alles bei Importen. Die Prüfung kann jedoch nur von einer Firma beantragt werden und ist ist ca. 1000 DM Kosten auch nicht gerade billig.

Zugelassene Motoren wiederum dürfen nur unter den im Zulassungsbescheid enthaltenen Bedinungen betrieben werden. Darin heißt es u.a., das die Treibsätze nur in Modellen verwendet werden dürfen, die ohne tragende Metallteile mit leichtzerbrechlichen Materialien konstruiert sind. Außerdem ist es lt. diesen Auflagen verboten, Treibsätze zu bündeln oder Mehrstufenraketen ohne Genehmigung nach den Sprengstoffgesetz zu fliegen. Außerdem ist die Bearbeitung des Treibsatzes verboten (dazu gehört auch die Anbringung einer Verzögerung oder das Aufbohren des Düsenkanals). Übrigens ist es auch nicht erlaubt, selber Zünder ohne Genehmigung oder Zulassung mit pyrotechnischam Effektsatz (z.B. Draht mit Schwarzpulver) herzustellen!

Treibsätze dürfen von Jugendlichen ab 14 Jahren (nur T1) nur unter Aufsicht eines Sorgeberechtigten oder, im Verein, nur mit schriftlicher Zustimmung der Sorgeberechtigten verwendet werden (§ 23 l.SprengV). Die Flughöhenbegrenzung auf 100 m für pyrotechnische Gegenstände gilt nicht für Modellraketen-Treibsätze (Anlage 1.1. SprenV Abs. 165). Hinweisen muß man auch auf die Lagerung: Treibsätze dürfen nur in unbewohnten Nebenräumen (z.B. Toilette) bis zu gewissen Höchstmengen gelagert werden, als da sind 5 kg brutto T1 oder 5 kg brutto T2 in unbewohnten Räumen (oder bis 10 kg T1 und 5 kg T2 in unbewohnten Nebengebäuden) (Angang zur 2.SprengV).

Wie schon erwähnt, dürfen nur Treibsätze ver- und gekauft werden, die von der BAM geprüft sind. Die Abgabe der Treibsätze ist nur in der ungeöffneten Originalverpackung erlaubt, d.h. ein Verkauf von einem oder zwei Motoren aus einer 10er Packung ist nicht zulässig. Auch das Umfüllen in andere Verpackungen ist nicht erlaubt, da bei der Prüfung auch die Verpackung mitgeprüft wird. Der Transport von Treibsätzen ist nur in privaten Verkehrsmitteln erlaubt (Auto, Fahrrad etc.), nicht aber in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Taxi nur mit Genehmigung des Fahrers. Allerdings -diese Vorschrift gilt auch für Sylvesterartikel, und die nimmt bekanntlich jeder nach dem Einkauf auch mal im Bus oder der Straßenbahn mit.

Dies ist nur eine auszugsweise Wiedergabe der entsprechenden bestimaungen des Sprengstoffrechtes. Wichtig für uns ist außerdem das Luftfahrtrecht, wobei hier besonders die folgenden Bestimmungen beachtet werden müssen:

1. Luftverkehrsgesetz (LuftVG)

2. Luftverkehrsordnung (LuftVO)

3. Luftverkehrszulassungsordnung (LuftVZO)

4. Richtlinien für die Genehmigung von Raketenplätzen.

Im Luftrecht wird ein Flugmodell (als solches auch die unbemannten Modellraketen; bemannte Raketen hingegen zählen als Flug körper) als ,,Luftfahrzeug" definiert. Verantwortlich für sein Luftfahrzeug ist der Halter, sprich Besitzer, des Modelles. Er ist auch verantwortlich für alle Schäden, die mit seinem Modell verursacht werden.

Lt. LuftVG (§ 2 Abs.1) muß ein Luftfahrzeug zugelassen sein, für Modeliraketen entfällt jedoch diese Uulassungapflicht bei Modellen unter 20 kg Gewicht (wie auch bei anderen Flugmodellen).

Die Aufstiegserlauhnis für Modellraketen, deren Treibsatz weniger als 20 g (T1) beträgt, gilt automatisch als erteilt; für Modelle darüber muß allerdings eine solche bei der zuständigen Luftfahrtbehörde beantragt werden (§ 16 Abs. 6 LuftVO). Das gleiche gilt für Flugsodelle über 5 kg Gewicht bzw. wenn Modelle in einer Entfernung von weniger als 1,5 km von Flugplätzen gestartet werden sollen. Eine Begrenzung von 1,5 km zu Wohngebieten (§ 16 Abs.5 LuftVO) gilt nur für Flugmodelle mit Verbrennungsmotoren, worunter nicht die Modellraketen fallen (sie werden als Flugmodelle mit Raketenantrieb geführt!)

Für Modellraketen mit Tl-Treibsatz braucht, da keine spezielle Aufstiegserlaubnis beantragt werden muß, auch kein spezieller Flugplatz beantragt werden. Es muß lediglich der Grundstückseigentümer um Erlaubnis gefragt werden. Und die Landung? Der § 25 Abs. 2 LuftVO besagt, daß weder eine Erlaubnis des Eigentümers noch der Luftfahrtbehörde erforderlich ist, wenn ,,der Ort der Landung infolge der Eigenschaften des Luftfahrtzeuges nicht vorausbestimmbar ist". Das heißt in der Praxis, daß bei allen ungesteuerten Modellraketen (Außnahem: RC-Gleiter) keine Erlaubnis zur Landung und zur Bergung des Modells, auch bei Privatgrundstücken (wobei das Gelände betreten werden darf) erforderlich ist. Man muß sich (eingezäunte Gelände etc.) dem Besitzer des Grundstückes ausweisen und für Schäden beim Abtransport bzw. bei der Landung haften.

Flugmodelle unter 5kg benötigen keine spezielle Kennzeichnung (Name, Anschrift) auf dem Modell lt. LuftVZO Anlage 1, IV.3. Bei Modellen unter 5 kg gibt es auch keine Versicherungspflicht (§ 103 LuftVZO). Allerdings geht man im Luftrecht davon aus, daß der Halter des Flugmodells schadensersatzpflichtig ist, egal, ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht (Gefährdungshaftung, die Gefährdungshaftungsgrenze liegt bei derzeit DM 850.000,-, bei Verschulden unbegrenzt). Allerdings ist es in der Rechtssprechung von Fall zu Fall verschieden, ob bei kleinen Flugsmdellen von einer ,,Gefährdungshaftung" ausgegangen wird oder nicht, denn diese geht eigentlich mehr vom potentiell hohen Risiko der Großluftfahrt aus.

Eine Frage ist immer, ob Veranstaltungen mit Modellraketen genehmigungspflichtig sind. Grundsätzlich sind Flugveranstaltungen genehmigungspflichtig (§ 24 LuftVG). Der § 74 Abs. 4 LuftVZO besagt allerdings, daß Flugmodellveranstaltung mit nicht zulassungspflichtigen Flugmodellen (als solche Raketen unter 20 kg und Tl-Motoren) nicht genehmigungspflichtig sind. Eine Genehmigungapflicht besteht wiederum beim Anfertigen von Luftbildern (§§ 63, 84 LuftVZO, § 27 LuftVG). Wenn Luftbilder veröffentlicht werden, bedarf es wiederum einer Genehmigung durch die Luftfahrtbehörde. Gleiches gilt auch für das Mitführen von Funkgeräten etc., was allerdings ein eigenes Kapitel ist (man denke nur an den ganzen Bereich der Telemetrie...).

Wird der kontrollierte Luftraum in Anspruch genommen, muß außerdem eine Flugverkehrsfreigabe beantragt werden. Der kontrollierte Luftraum beginnt, je nach Gegend, in den unterschiedlichsten Höhen. Die verbreitete Meinung, er beginne grundsätzlich bei 330 Meter, ist sicherlich falsch. Tatsache ist, daß er in vielen Gebieten bei 330 Meter (1000 Fuß) über Grund liegt, es gibt aber auch Gebiete, wo es erst ab 3000 ft. losgeht, usw. Aufschluß über den kontrollierten Luftraum geben die sog. ICAO-Karten oder die zuständigen Luftämter.

Die Richtlinien für die Genehmigung von Paketenstartplätzen können größtenteis außer acht gelassen werden, denn sie sind eigentlich nur für Großraketen bestimmend (für TI-Raketen braucht man sowieso keine spezielle Aufstiegserlaubnis) . Da sie nur Richtlinien sind, ist es im Ermessen der Behörden, sie teilweise anzuwenden oder auch nicht. Die zuständige Behörde für den Luftverkehr (für den Sprengstoffbereich ist es in der Regel das Gewerbesufsichtsamt) ist bundesweit die Bundesanstalt für Flugsicherung, das Luftfahrt-Bundesamt, und in den Ländern die Regierungspräsidien, die Regierungspräsidenten, Senatoren, Bezirksregierungen oder Regierungen (oder auch mal ein Ministerium).

Eine Schwierigkeit ist sicher, daß der Modellraketen-Bau ein Exotendasein führt und die meisten Behörden noch nie damit konfrontiert wurden und auch deshalb kaum darüber Bescheid wissen. Viele Regelungen wurden auch getroffen, ohne dabei die spezielle Situation von Modellraketen im Auge zu haben. Unter Abwägen dieser Erkenntnis sollte man auch den § 4a der LuftVO im Auge haben, nach dem die Bestimmungen auf unbemannte Luftfahrzeuge wie unsere Modellraketen nur Anwendung finden, ,,soweit sich nicht aus den Besonderheiten dieser Luftfahrtgeräte, insbesondere der Freistellung von der Verkehrazulassung und dem Flugplatzzwang, der besonderen Betriebsform oder der fehlenden Besatzung die Unanwendbarkeit einzelner Vorschriften ergibt".

Noch einige Anmerkungen zu den Verordnungen in der Schweiz und Österreich: In der Schweiz findet die ,,Verordnung für bestimmte Fluggeräte und Flugkörper (VFF, SR 746.941)" Anwendung. In dessen Artikel 19 werden allgemeine Vorschriften zum Schutz der Luftfahrt aufgezählt, wobei die Einschränkung lt. Art. 20 nicht gilt, denn die Modellraketen sind Feuerwerkakörpern in Art. 20 Abs. 1 gleichgesetzt. Für den Flug von Modellraketen gibt es demnach offensichtlich keine Einschränkungen. Motoren, die eingeführt werden, müssen von der zuständigen Behörde genehmigt werden, dürfen also ähnlich wie in der BRD nicht ohne weiteres eingeführt werden. Aus Osterreich liegen dem Autor leider keine genaueren Informationen vor; hier ist vieles in den einzelnen Bundesländern offenbar unterschiedlich geregelt.

Zum Schluß noch eine persönliche Anmerkung: Es ist leider nicht einfach, alle erforderlichen Gesetze und Regelungen zu erfassen und zu beachten. Schon aus Gründen der Selbterhaltung sollte man sich bemühen, die bekannten Bestimmungen einzuhalten und auch freiwillige Vereinbarungen wie den Sicherheitskodex zu beachten. Es gilt, wie überall, der Grundsatz, daß alles getan werden muß, um Unfälle zu verhüten, und da genügt oftmals schon der gesunde Menschenverstand, um zu wissen, daß etwa Eigenbau von Treibsätzen oder die Verwendung von Metallteilen hier nicht weiterhelfen. Und noch etwas zum Schluß: Gesetzliche Regelungen sollten auch nicht als ,,Waffe" gebraucht werden, um damit der Raketen-Konkurrenz eines auszuwischen, denn dafür müßte man ersten schon selber eina ganz weiße Weste haben, zweitens schadet man dem Hobby damit sicherlich erheblich, wenn man Behörden unnötig damit konfrontiert.

(aus COUNTDOWN 4/88 - Nachdruck ohne Genehmigung verboten!)

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