2. Intern. Modellraketen-Festival

ES WAR WIEDER SOWEIT: NACH DEM ERFOLG VON 1988 FAND VOM 16. -18. JUNI 1989 ZUM ZWEITEN MAL DAS INTERNATIONALE MODELLRAKETEN-FESTIVAL IM RAKETEN-MEKKA ST. LEONHARD STATT. MIT TEILNEHMERN AUS 8 LÄNDERN WAR DAS FESTIVAL AUCH DIESES JAHR DIE GRÖSSTE INTERNATIONALE VERANSTALTUNG FÜR MODELLRAKETEN IN DER BUNDESREPUBLIK. COUNTDOWN-REDAKTEUR OLIVER MISSBACH BERICHTET AUS ST. LEONHARD.

Seit 1984 ist St. Leonhard Austragungsort für Modellraketen-Veranstaltungen. Damals flog eine Gruppe Modellraketen-Fans aus St. Leonhard und München zum ersten Mal einen Wettbewerb - wer damals dabei war wie Peter Wolff (Vorstand der WASA, heute Mitorganisator des Festivals), Oliver Missbach (Vorstand des MMV, Mitorganisator) oder Karl Gum (Sportleiter) wird kaum geglaubt haben, daß sich aus dem noch recht ungeordneten Umherfliegen eines Tages eine derartige Veranstaltung entwickeln konnte.

Innovativ war das Modellraketen-Mekka am südöstlichen Rand der BRD schon immer. Die Veranstalter, die Wonneberger Aeronautics & Space Administration (WASA) und der Münchner Modeliraketenverein e,V, (MMV), waren für neue Pfade gern zu haben, was wohl auch ein Teil des Erfolgekonzeptes ist. So wurde in St. Leonhard wohl zum ersten mal in Europa ein größerer Super-Roc Wettbewerb geflogen, auch Helikoptermodelle starteten hier schon ein Jahr bevor die FAI diese einführte (der Wettbewerb war damit ebenfalls ein europäisches Novum). Auch Odd-Roc Flüge fanden in Westeuropa erstmals statt.

Ziel der ganzen Aktivitäten blieb es immer, auch und gerade die ,,normalen" Modellräketenflieger zu animieren, also besonders die, die nicht wie die kleine Gruppe semi-professioneller Wettbewerbsflieger um Medaillien, Urkunden und Wettbewerbsehren kämpfen. Deshalb steht auch nicht nur das Fliegen im Vordergrund, sondern auch die Rahmenveranstaltungen.

Gekommen waren dieses Jahr Teilnehmer aus Jugoslawien (wie schon 1988 die größte Gruppe, diesmal gleich 3 Vereine), Größbritannien, der Tschechoslowakei, den Niederlanden, Spanien, der Schweiz, Österreich und der Bundesrepublik. Sie wurden am ersten Tag, dem 16.6., vom Bürgermeister der Gemeinde Wonneberg persönlich mit einer Ansprache willkommen geheißen. Am Nachmittag gings dann bereits los mit den Klassen Strömer- und Fallschirm-Flugdauer. Nach der Modellannahme wurde zuerst der Strömerwettbewerb ausgetragen. Nach den neuen Regeln war nun der Mindestdurchmesser der Modelle 30 mm und die Mindestlänge 350 mm - einige Teilnehmer hatten damit zum ersten Mal die Möglichkeit, ihre neuen Entwürfe zu erproben. Wie schon im Vorjahr schickten die Jugoslawen ein besonders starkes Team und konnten sich damit die Ränge 1 und 2 mit Miran Sinigoj und Anton (,,Tone") Sijanec aus Ljubljana sichern. Dritter wurde der Schweizer Kurt Grimm vor Vendula Peckova, einer Teilnehmerin aus der CSSR. Alle 5 ersten Ränge hatten im ersten Durchgang eine Maximalzeit, das Rennen wurde erst im 2. und 3. Durchgang entschieden.

Nach kurzer Verschnaufpause ging es weiter mit dem Fallschirm-Flugdauerwettbewerb. Auch hier konnte sich ein Jugoslawe den 1. Platz holen - Jure Ranik, der mit drei Max-Flügen nach dem Stechen mit Veduis Peckova aus der CSSR gewann. Pavlea Kresimir aus Zagreb sicherte sich mit 2 Maxflügen den 3. Rang vor Ivancok Zdravko, ebenfalls aus Jugoslawien. Der Wind, in ungünstige Richtung zielend, trieb manches Modell weit ab und auch die Zeitnehmer verloren dadurch einige Modelle aus den Augen. Viele Teilnehmer, darunter alle vorderen, verwendeten statt dem traditonellen Schutzpfropfen einen Kolben in ihren 30mm-Modellen.

Der Abend gehörte zuerst einem Filmprogramm von Kurt Gruneberg und Oliver Missbach, teils in Super-8, teils in Video; u. a. waren Szenen der WM 87 und des RAKs 88 zu sehen. Ort war erstmals das enge, aber gemütliche Mooshäusl, einer kleinen Hütte neben dem Startplatz. Nach den Filmen war ein gemütlicher Abend angesagt, den man entweder im partymäßig hergerichteten Mooshäusl wie stich im gut gefüllten Bierzelt gleich nebenan verbringen konnte.

Das Bierzelt für 400 Personen hatte sich schon im Vorjahr bestens bewährt, um vor allem die einheimische Bevölkerung anzulocken. Mit Musik und Bewirtung ausgestattet, war es wieder ein Publikumsmagnet für die Region - wie auch für die Teilnehmer selbst. Verbunden sit dem Zelt ist natürlich auch ein entsprechender Organisationsaufwand, der von den vielen freiwilligen Helfern schon Tage zuvor viel abverlangte. Aber was wäre ein Festival ohne Festzeit?

Für viele versteckt blieben sicherlich auch die ungeheuer aufwendigen Vorbereitungen vor der Veranstaltung und auch während des Festivals. Einladungen mußten geschrieben, gedruckt und verschickt werden, eine Festivalsbroschüre wurde entworfen, Zimmer reserviert und Einkäufe erledigt. Nicht zuletzt galt es auch, die notwendigen Behördengenehmigungen einzuholen - fürs Zelt ohnehin, aber auch Spezialgenehmigungen wie die Erlaubnis, in der BRD nicht zugelassene Treibsätze ausländischer Teilnehmer für die Dauer der Veranstaltung zu verwenden, Auch eine T2-Starterlaubnis wurde erteilt.

Nach einer kurzen Nacht begann vormittags ein interessantes Seminar über High-Power Modellraketen von Peer Kreutzer. Nach Aufzählung gesetzlicher Bestimmungen (Tl und T2) und Diskussion über die Treibsatzproblematik erläuterte Peer die technischen Voraussetzungen für den Bau großer Modelle.- u.a. ging er auf die Konstruktion dieser Raketen sowie auf die Antriebsmöglichkeiten ein (Mehratufen, Bündelungen). Peer betonte auch, daß High-Power-Modellraketenbau nicht gleichzusetzen ist mit der Verwendung von anderen Materialien als im Sicherheitskodex erlaubt ist. Die oftmals unnötige Verwendung von Metallteilen etwa gehöre nicht mehr in den Bereich des Modeliraketenbaus. Einige Demonstrationsobjekte aus sicheren Einzelteilen, darunter auch ein Großsodell, hatte Peer gleich mitgebracht.

Nachmittags dann wieder Fliegen: Diesmal die langen Super-Roc Modelle, Blickfang für Teilnehmer und Zuschauer. Hier hatte sich in den letzten Jahren einiges getan, und Sportleiter Karl Gum maß ganze 7,50 Meter beim Modell des Schweizers Hans Stoll - übrigens ganz aus Glasfaser. Das Modell mußte dann auch mit Leinen vor dem vorzeitigen Ende bewahrt werden, der Fallschirm wurde gleich außen angebracht, da man der Ausstoßladung einen solchen Kraftakt zu recht nicht zutraute. Beim Start machte das Modell mehr einen Hopser, aber immerhin, es war geflogen und gewann aufgrund des Punktesystems den ersten Platz, Dagegen wirkte das Modell des zweiten Siegers Edgar Muntwyler geradezu bescheiden mit 5,2 Meter, das dafür aber einen bewundernswerten Flug absolvierte. Das Modell des Engländers Charhe Braham stürtzte unglücklich ab, sein Landsmann Stuart Lodge erreichte mit nur 1,49 m Länge, aber einer hervorragenden Flugzeit, Rang 3.

Zum zweiten Mal gabs dann Helikopter-Modelle in St. Leonhard, Stuart Lodge gewann als Favorit dieser Klasse den ersten Rang mit seinem Stu-Art Modell, Karl Gum sicherte sich den zweiten Rang vor des Engländer Charles Braham und Ernst Bulten aus Holland. Leider gab es nicht ganz so viele Teilnehmer in dieser High-Tech Klasse wie im Vorjahr, aber alle Entwürfe, so verschieden sie waren, verdienen durchaus Anerkennung und weckt Neugierde auf das Festival 1990.

Abends zeigte Kurt wieder einige Filme, bevor es wieder ein offener Abend wurde. Der Start der Nachtflugmodelle wurde wegen der inzwischen schlechter gewordenen Witterung auf ein Modell reduziert, aber eine andere Lösung erlaubte Petrus an diesem Abend nicht. Dafür war innerhalb des Festzeltes umso mehr Leben und der gemütliche Teil des Treffens kam sicher nicht zu kurz. Den inoffiziellen Festivals-Rekord hielt übrigens ein englischer Teilnehmer mit angeblich 10 Maß Treibstoff.

Müde, aber motivierte Gesichter trafen sich am nächsten Morgen zum traditionellen Konstruktionswettbewerb. Im nach Klebstoff duftendem Raum bastelten die Teilnehmer aus von der Firma Plastik Schelter zur Verfügung gestellten Bauteilen ihre Kreationen. Der gruppendynamische Effekt der Veranstaltung beflügelte die Phantasien der Teilnehmer und machten es der Jury später schwer ein Urteil zu fällen. Neu war in diesem Jahr, daß einige Modelle auch einen Farbanstrich bekamen und optisch herausstachen. Nach den folgenden Flügen am Nachmittag, bei dem die Modelle auch in der Luft bestehen mußten, lag Klaas-Jan van Til aus Holland vor Pavel Miladinovic CCSSR) und Stuart Lodge.

Besonderer Höhepunkt sind immer die lustigen Show-Modelle, die Odd-Rocs. Der Vorjahressieger, Karel Pecka aus der CSSR, war klarer Favorit und enttäuschte seine Anhänger mit einer fliegenden Leiter auch dieses Jahr nicht. Zum zweiten Mal nahm er den Wanderpokal in dieser Klasse nach Hause mit. Karl Gums Modell ,,Safer Sex", nach eigenen Angaben nur bedingt jugendfrei, landete auf dem zweiten Platz und entlockte manchen Lacher, Garfield war auch vertreten und flog wie einst Münchhausen auf einer Rakete (oder wars eine Kanonenkugel?) durch die Lüfte - 3. Platz für Stuart Lodge.

Neu bei diesem Festival war die in einem modernen Bauwagen installierte Computerzentrale. Durch ein extra fürs Festival entworfenes Programm von Daniel Hölzel und Pavel Miladinovic wurden die Ergebnisse per Funk gleich eingegeben und ausgewertet. Als hilfreich erwiesen sich auch die neuen Startkarten. Neu war auch ein kleiner Raketen-Flohmarkt für Zuschauer und der Torbogen mit der Aufschrift ,,Modellraketen Festival", umrandet mit den Willkommens-Tafeln für die ausländischen Gäste.

Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren war das Wetter - wie auch in den Wochen zuvor und danach - durchwachsen und es regnete gelegentlich und es war nicht ganz so warm wie etwa 1988. Das schränkte vor allem die Durchführung eines geplanten Bastelkurses sowie einige Showstarts ein wenig ein, auch der Zeitplan mußte ein wenig geändert werden. Trotzdem waren alle wieder ganz zufrieden. Einige ,,neue" Modellraketenflieger, die sich zum ersten Mal hergetraut haben, aber noch nicht bei den Wettbewerben teilnahmen, haben neue Kontakte geknüpft und Informationen gesammelt, auch die ,,alten Hasen" haben sicherlich vom Informationsaustausch profitiert. Man sieht sich wieder, spätestens 1990 beim dritten Festival in St. Leonhard...

(aus COUNTDOWN 1/90 - Nachdruck ohne Genehmigung verboten!)

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