MODELLRAKETENBAU TSCHECHOSLOWAKEI

Erlangen (Pavel Miladinovic) - DASS DIE CSSR NEBEN KARLBA-DER OBLATEN, BECKEROVKA UND PILSNER URQUELL AUCH SPITZENSPORTLER UND -TECHNOLOGIE IM MODELLRAKETENFLUG ZU BIETEN HAT, DÜRFTE FÜR EINGEWEIHTE WOHL KEIN GEHEIMNIS SEIN. WIE ES IM MODELLRAKETENFLUG BEI UNSEREN TSCHECHOSLOWAKISCHEN NACHBARN AUSSIEHT, ZEIGT DER FOLGENDE COUNTDOWN-BERICHT.

Mit Bulgarien und der Sowjetunion ist die CSSR das wohl aktivste Land auf dem Modellraketensektor in Europa. Mit mehr als 5000 aktiven Modellraketenfliegern ist eine solide Basis vorhanden, auf der dieses Hobby aufbaut. Das liegt vor alles daran, daß in der CSSR der Modellraketenflug genauso etabliert ist wie z.B. Flug-. Auto- und Plastikmodellbau.

Die rührt vor allem daher, daß die CSSR praktisch die Wiege des europäischen Modellraketenflugs ist. Bereits in den 50er und 60er Jahren experimentierten Pioniere wie 0ttakar Saffek mit raketengetriebenen Modellen mit Blick auf die Entwicklung in den USA herum. Schon bald folgten dieser Experimentierphase erste Wettbewerbe und die Produktion von Modellraketentreibsäzen begann.

Eine Drehscheibe der Aktivitäten wurde der slowakische Ort Dubnica nad Vahos, wo die dort ansässige Firma ADAST erste Treibsätze fertigte. Das war 1965, damals hatten diese Motoren 2,5 Ns Impuls (A) und noch einen beachtlichen Durchmesser von 22 mm und ein Gewicht von 20 g. In den folgenden Jah-ren fanden in Dubnica einige internationale Begegnungen statt, 1974 fand dort die 2. Weltmeisterschaft statt.

Heute produziert man in Dubnica die handelsüblichen A, B und C-Treihsätze, die den Bedarf der Clubs decken, sowie einige Spezialtreibsätze für Wettbewerbsflüge. Weitere Spitzentreibsätze, die vor allem für höchste Wettbewerbe wie Europa-, Welt-oder Landesmeisterschaften verwendet werden, werden in Prag hergestellt. Obwohl es zeitweise Engpässe bei der Produktion und Lieferung gibt, ist der Bedarf der Clubs gedeckt. Allerdings ist der Preis, der für einen normalen Treibsatz bei 15 KCS (3 DM) liegt, für junge Modellraketenfans relativ hoch.

Was tun? Und hier findet man auch die Ant-wort auf die Frage nach den hohen Mitgliedazahlen der Clubs und Vereine. Sie unterstehen allesamt dem staatlichen Verband für Zusammenarbeit mit der Armee, SVAZARM (oder slowakisch ZVÄZARM), der für Modellbau, aber auch Luftsport, Fallschirmaport und Schießen zuständig ist. Ist man einmal Mitglied in dieser Massenorganisation, so werden auch die begehrten Treibsätze erschwinglich. Wiederum ist es hier die staatliche Förderung, die den Modellraketensport unter die Arme greift.

Daß die CSSR dafür auch Erfolge vorzeigen kann, versteht sich fast von selbst. Welt-und Europameistertitel in Mengen. Und die erfolgreichen Sportler arbeiten sich zu Titeln wie ,,Meister des Sports" und ,,Verdienter Meister des Sports" hoch. Besonders die Klasse SSE hat in der CSSR starken Aufwind erhalten, so daß auch der Preßburger Ingenieur L. Droppe stolz 1988 seinen Europameisterschaftstitel mit nach Hause nehmen, konnte. Ein weiteres ,,Nest" dieser Klasse ist Prag, wo V. Hadac und J. Taborsky bereits die nächsten Wettbewerbe im Auge haben. Auch die Scaleklasse S7 ist in der CSSR ein beliebtes Feld für detailliebende Bastler. Hier liegen die Schwerpunkte im mährischen Adamov und in der slowakischen Stadt an der Hohen Tatra, Spisska Nove Ves.

Die Grafik zeigt die Verteilung der aktiven Rocketeers auf die Bezirke der CSSR, wobei der überwiegende Teil in der Solwakei beheimatet ist. Dies erklärt sich schon in der Tatsache, daß die Slowakei dünner besiedelt ist und es relativ viele Flugflächen gibt. Allerdings scheint auch dort die Jugendarbeit besser zu funktionieren, denn dies ist ein beachtlicher Bestandteil der SVAZARM-Organisationen und Ortsgruppen. So werden Ausscheidungs- und Qualifikationswettbewerbe organisiert, angefangen bei Kreismeisterschaften (wenn das die Zahl der Aktiven zuläßt) bis zu den zwei Landes-meisterschaften (der CSR und der SSR).

Diejenigen, die sich dann für die Bundesmeisterschaft qualifizieren - es sind in der Regel 50 Teilnehmer, jeweils zur Hälfte aus der Slowakei und aus Böhmen - kämpfen dann um die Plätze in der Nationalmann-schaft. Im Gegensatz zu den westlichen Ländem stellt aber die kommerzielle Seite des Hobbys noch ein Problem da. Die staaliche Firma MODELA, die das Angebot von Modellbausätzen in allen Sparten deckt, hat zwei Modellraketen im Vertrieb, einen simplen Bausatz PARA und eine etwas im moderneren Design gehaltene KOSMOS, die auch bundesdeutschen Rocketeers bekannt sein dürfte.

Das wohl herausragenste Ereignis ist aber die jedes Jahr zum Abschluß der Saison stattfindenede Prager Show ,,Letame pro Vas" <Wir fliegen für Sie>. Dutzende verrückte Flugobjekte bieten dann mitten in Prag ein Bild, daß man als Rlocketeer unbedingt einmal sehen sollte. Also, nichts wie nach Prag!

(aus COUNTDOWN 1/90 - Nachdruck ohne Genehmigung verboten!)

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