Odd-Roc Modelle
(Oliver Missbach) - NUR DIE PHANTASIE SETZT IHNEN GRENZEN - ODD ROCS, DIE UNGEWÖHNLICHEN MODELLRAKETEN, BEGEISTERN BASTLER AUF DER GANZEN WELT. AUCH IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND FINDET ERSTMALS EIN ODD-ROC WETTBEWERB STATT.
Ein Verein in den USA hatte eine zündende Idee: Man lud die Teilnehmer zu einem "Badezimmer-Scalewettbewerb" ein. Gefragt war alles, was sich in einem typischen Badezimmer erblicken läßt - selbstverständlich als Modellrakete und voll flugtauglich.
Im Lexikon findet sich unter dem Begriff "odd" u.a. das Stichwort "seltsam" sowie "sonderbar" und "merkwürdig". Der findige Leser folgert daraus, daß es sich dann bei "Odd-Rocs" nur um etwas andere Modellraketen handeln kann. Damit wäre der Begriff wohl ausreichend definiert. Alles weitere hängt von der Phantasie des einzelnen Bastlers ab und der Frage, ob er bereit ist, auch einmal etwas völlig anderes zu wagen.
Einmal im Jahr findet in Prag in der CSSR ein Modellraketenwettbewerb statt, bei dem Exoten wie die fliegende Rasierklinge oder ein flugfähiger E.T. Aufsehen erregen. In Harrys Stines Standardwerk "Handbook of Model Rocketry" findet sich in einer älteren Auflage ein Snoopy-Odd-Roc-Gleiter. Die Cartoonfigur wurde einfach ein wenig umgekrempelt, aus den langen Ohren wurden Flügel und aus der Hundehütte eine Startrampe, und schon flog das Ding.
Einigen Odd-Rocs sieht man den Clou zuerst nicht
an. Ein Modell eines Amerikaners hat die Eigenschaft, sich nach dem Zünden in Einzelteile
zu zerlegen. Was anfangs wie eine Explosion aussieht, entpuppt sich schnell als ein
raffiniertes Stecksystem.
Nur Spielerei? Wohl kaum. Erstens ist jedes Hobby ein wenig
Spielerei, zweitens stellen gerade Odd-Rocs die höchsten Ansprüche an Bastlergeschick,
Stabilitätsberechnungen und Einfallsreichtum. Wahrscheinlich sind oft nur Scalemodelle
schwieriger zu erstellen. Außerdem haben Odd-Rocs noch einen ganz entscheidenden Vorteil:
Sie sind auch für Nicht-Modellraketenbauer interessant und können helfen, neue Leute zu
begeistern.
Wie mache ich meinen Odd-Roc? Zunächst gilt alles, was für normale Modellraketen Anwendung findet, auch für Odd-Rocs. Sie arbeiten nach dem gleichen Pronzip und unterscheiden sich vor allem durch ihr Äußeres und ihre Funktionen.
Als Baumaterial kann man z. B. vieles verwenden, was sich in jedem Haushalt findet - Plastikdosen, Pappgegenstände etc. Mit etwas Phantasie läßt sich oft erstaunlich viel daraus machen. Z.B.: Fliegende Getränkeflasche aus Kunststoff.
Was baut man? Grundsätzlich alles, was sich bauen läßt, z.B. eine modifizierte Putzmittelflasche (mit Plastikflossen aus durchsichtigem Kunststoff, erhältlich in vielen Modellbaugeschäften, versehen), oder als Attrappe, z.B. Radioimitation aus Pappe.
Hier noch einige Vorschläge für Odd-Rocs: Fliegende Tiere (z.B. Frosch, bei dem die Beine gleichzeitig als Flossen dienen), Gebrauchsgegenstände, futuristische UFO, Modelle mit besonderem Ausstoßsystemen bzw. -funktionen (etwa der erwähnte Selbstzerleger) Nahrungsmittel, Comicfiguren.
Wichtig ist, daß man unbedingt vorher dem Ablauf des Fluges
überlegt und alles berücksichtigt, was nachher funktionieren soll. Außerdem muß
besonders auf die Stabilität geachtet werden. Odd-Rocs haben oft außergewöhnliche
Formen und sind sehr schwierig zu berechnen. Erfahrene Modellbauern kommt eine gewisse
Kenntnis, die Stabilität "schätzen" zu können, zugute. Auf jeden Fall sollte
vor dem Erstflug ein Schwingtest mit Schnur gemacht werden. Der erste Flug muß unbedingt
vor einer Aufführung mit Zuschauern gelaufen sein (gilt eigentlich ja für alle
Modellraketen).
In diesem ODD-ROC-SPECIAL finden sich ein paar Baupläne, die wir teilweise aus dem "Model Rocketeer" übernommen haben. Sie sollen Anregung für die Entwicklung eigener Odd-Rocs geben.
Am ersten Maiwochenende haben Sie außerdem die Gelegenheit, Ihre Odd-Rocs vorzuführen und die Modelle anderer Bastler zu bewundern. Der geplante Odd-Roc Wettbewerb bietet dazu die Gelegenheit (siehe Rubrik Terminkalender).
(aus COUNTDOWN 2/86 - Nachdruck ohne Genehmigung verboten!)
(c) Oliver Missbach 1999