Unterwasserraketen

(Bernd Foitzik) - EIN INTERESSANTES UND BEI UNS NOCH NEUES KAPITEL IST DER START VON MODELLRAKETEN UNTER WASSER. UNTERWASSERRAKETEN SIND SOWOHL AUS DER WISSENSCHAFTLICHEN ALS AUCH AUS DER "FUN FLYING"-PERSPEKTIVE INTERESSANT. DER FOLGENDE BERICHT MÖCHTE EINE ANREGUNG FÜR EIN EIGENES PROJEKT SEIN.

Unterwasserstarts sind eine spektakuläre Bereicherung des Modellraketenangebots und bieten dem Foto- und Filmfreund die Möglichkeit zu ungewöhnlichen Aufnahmen.

Dazu wird das Modell aus einem wassergefüllten, quaderförmig oder zylindrischen Behälter aus durchsichtigem, möglichst schwerzerbrechlichem Kunststoff (Plexiglas) gestartet. Solche Plexiglasbehälter werden von kunststoffverarbeitenden Betrieben auf Wunsch gefertigt (siehe Branchenverzeichnis: Plexiglas, Acrylglas). Leider ist die Anfertigung nicht ganz billig: mit 150 DM für Material und Arbeitszeit (100 Mark Materialkosten) für einen Zylinder der Länge 1 Meter muß man schon rechnen.

Es ist darauf zu achten, daß vor allem der Boden des Behälters von heißen Ausstoßgasen geschützt wird (Strahlablenker). Der Raketenantrieb funktioniert selbstverständlich auch unter Wasser, denn er ist auf keinerlei atmosphärischen Sauerstoff angewiesen. Deshalb ist er auch "raumtauglich". Der für die Verbrennung benötigte Sauerstoff ist im Treibmittel in großen Mengen an einen Sauerstoffträger (Oxidationsmittel) chemisch gebunden. Dadurch ist überhaupt erst der schnelle Reaktionsablauf und damit der Raketenflug möglich, weil Reaktionswärme und Verbrennungsgase in kurzer Zeit freigesetzt werden, wodurch sich ein starker Gasdruck aufbaut, der das Modell rasch beschleunigt. Auch Stoppinen brennen unter Wasser, wenn sie wasserdicht, also z. B. mit Isolier- oder Klebeband (kein Kreppband) umwickelt worden sind (Lackieren oder mit Klebstoff bestreichen ist ungeeignet, weil der Lack in die Stoppine eindringt und den Abbrand der Pulverlandung verhindert). Zündet man eine so präparierte Stoppine an und hält sie unter Wasser, brennt sie weiter. Nur dort, wo die Zündschnur brennt, ist sie zum Wasser hin offen, aber auch an dieser Stelle kann sie nicht naß werden, weil die Verbrennungsgase das Wasser zurückdrängen.

Das sei aber nur am Rande bemerkt, denn Stoppinenzündungen kommen ohnehin nicht in Frage; erstens, weil man Modellraketen grundsätzlich nur elektrisch starten sollte, und zweitens, weil die Zündschnur nur über Wasser angezündet werden kann und dann erst das Modell unter Wasser gebracht werden könnte - ein zweifelhaftes Verfahren.

Bei einem Unterwasserstart treten im Wesentlichen drei Probleme auf:
1. Das Problem der Wasserfestigkeit
2. Der Auftrieb
3. Der Wasserwiderstand

Zu 1.: Das Modell muß natürlich absolut wasserdicht sein. Es muß so gebaut sein, daß es mehrere Minuten auf Tauchstation bleiben kann, ohne das irgendwo Wasser eindringt. Die Startvorbereitungen müssen in aller Ruhe und ohne Hast vorgenommen werden können. Das Modell muß daher besonders gut lackiert werden (Lack in mehreren dünnen Schichten auftragen, Pappe darf nicht mit Wasser in Berührung kommen). Oder man verwendet gleich ein Modell aus Plastik oder baut sich eines aus Epoxid- bzw. Polyesterharz und Glasfasergewebe (siehe alte COUNTDOWN-Ausgaben Nr. 9 und 10, erhältlich im Sammelband, siehe COUNTDOWN-Shop).

Jedes Modell hat jedoch zwei Schwachstellen, die das eigentliche Problem darstellen; nämlich dort, wo das Modell durch die Ausstoßladung getrennt wird, und am Heck, wo Treibsatz und Zünder eingesetzt werden. Auch die Tondüse muß vollständig vor dem Wasser geschützt werden, denn sie ist zwar feuer-, aber nicht wasserfest. Im Wasser weicht sie in kürzester Zeit auf und zerfällt. Damit kein Wasser eindringen kann, müssen die Kontaktflächen von Teilen, die nur zusammengesteckt werden (also Nasenkonus - Körperrohr - Treibsatz) glatt sein, eng anliegen und eingefettet werden. An diesen Stellen muß das Körperrohr auch an den Innenseiten lackiert werden. Darauf achten, daß kein Fett verwendet wird, das den Lack oder den Kunststoff angreift. Es sollte sich am Heck der Rakete eine kleine Luftaustrittsöffnung befinden, die erst verschlossen wird, wenn die Rakete startfertig gemacht ist, weil man sonst Schwierigkeiten hat, die Spitze oder den Treibsatz einzustecken, da die Luft wg. der Einfettung nicht entweichen kann (Luftpumpeneffekt).

unterwasserroc.gif (18486 Byte)

Zunächst müssen Treibsatz und Zünder wasserdicht miteinander verbunden werden (Treibsatz-Zünder-Einheit). Man kann einen Estes-Zünder oder einen Blitzlampenzünder mit Schwarzpulver verwenden. Dabei müssen unbedingt die gesetzlichen Bestimmungen beachtet werden! In der Bundesrepublik z. B. ist der Umgang mit Schwarzpulver erlaubnispflichtig!

Wenn der Körperrohrdurchmesser deutlich größer als der Durchmesser des Treibsatzes ist, kann man den Treibsatz etwas ins Körperrohr zurücknehmen, sodaß sich Treibsatz samt Zünder in einer Art Taucherglocke befinden (Zeichnung II).

Zu 2.: Die Rakete ist spezifisch leichter als Wasser und erfährt demzufolge einen relativ starken Auftrieb. Sie würde an der Wasseroberfläche schwimmen. Also muß sie bis zum Start unter Wasser gehalten werden. Ist die Zündung erfolgt, muß die Haltevorrichtung die Rakete sofort freigeben. Das kann man am einfachsten durch einen dünnen Plastikstreifen bewerkstelligen, der die Rakete hält und im Augenblick der Zündung vom Feuerstrahl durchgebrannt wird (Zeichnung).

Sind Treibsatz, Zünder und elektrische Zuleitungen durch Klebeband fest miteinander verbunden, läßt sich das Modell einfach durch das Zündkabel ohne besondere Vorrichtung am Grund halten.

An der Spitze wirken ebenfalls Auftriebskräfte, die sie vom Körperrohr abheben können. Sie darf also nicht zu locker (aber auch nicht zu stramm) sitzen. Da sich aber das Volumen im Körperrohr vergrößert, wenn man die Spitze herausziehen möchte und somit ein Unterdruck entsteht - denn Wasser kann ja wegen der Einfettung nicht eindringen - kann so etwas praktisch garnicht passieren.

Zu 3.: Wasser ist viel dicker als Luft. Deshalb ist auch der Wasserwiderstand viel größer als der Luftwiderstand. Aus diesem Grund muß die Rakete sehr strömungsgünstig gebaut sein. Sie verliert auf der kurzen Strecke unter Wasser einen großen Teil ihrer Bewegungsenergie und ist, wenn sie die Wasseröberfläche erreicht, möglicherweise nicht schnell genug, um durch die Leitflossen stabilisiert zu werden. Daher sollte der Leitstab die Wasseroberfläche ein gutes Stück überragen. Außerdem muß das Modell besonders stabil gebaut werden, damit es den Widerstandskräften gewachsen ist. Schlampig angeklebte Flossen werden mit großer Wahrscheinlichkeit abgerissen.

Aus welcher Tiefe man die Rakete starten läßt, hängt vom Modell, vom Treibsatz und nicht zuletzt vom persönlichen Geschmack ab.

Anmerkungen: Zum Imprägnieren und Abdichten von Zünder und Treibsatz verwende ich ISARPLAST L530 Kunststoff-Klebstoff. Er ist dünnflüssig und trocknet sehr schnell und glatt und bildet einen lackartigen Überzug. Es wird zumindest der gesamte ins Wasser ragende Teil vollständig mit Klebstoff überzogen. Ist der Kleber trocken, kann die Treibsatz-Zünder-Einheit in die Rakete eingesetzt werden.

Estes Solarzünder: Man kann die Tondüse, nachdem man den Zünder eingesetzt hat und sie mit etwas Knetmasse verschlossen hat, gleich mit Klebstoff imprägnieren (1.). Aber da der Kleber die Tondüse etwas mürbe macht, halte ich es für besser, erst ein Stückchen Papier oder Klebestreifen auf den Rand des Treibsatzes zu kleben und dieses dann mit Klebstoff zu überziehen (2.).

Blitzlampenzünder: (3.) Der Treibsatz wird hier wie bei der Mehrstufenzündung gezündet. Das Schwarzpulver stellt die Ausstoßladung dar, deren brennende Partikel den Treibsatz der nächsten Stufe zünden. Der Treibsatz wird nämlich nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, durch heiße Gase, denn sie enthalten nicht genügend spezifische Wärmemenge, sonder durch glühende oder brennende Teilchen gezündet. Deswegen schneidet man sicherheitshalber zwei Kerben in die Hülse, damit das Gas entweichen kann und nicht den Zünder absprengt, bevor die Teilchen die Treibsladung erreicht haben.

Das Klebeband hält lediglich Zünder und Treibsatz zusammen, wird aber, wenn der Treibsatz gezündet hat, sofort durchgebrannt. Eine sichere Abdichtung ist dies allein nicht; deshalb müssen auch die Kleberänder mit Kunststoff überzogen werden.

Die fertiggestellte Treibsatz-Zünder-Einheit wird in den Motorhalter -ein anliegendes, lackiertes und eingefettetes Rohr- eingesetzt. Vor allem am Rand des Motorhalters muß gut mit Fett abgedichtet werden. Diese Einheit aus Rakete, Antrieb und Zünder ist so dicht, daß sie, wie ich ausprobiert habe, auch noch nach einer Stunde in 50 cm tiefem Wasser tadellos funktionierte.

(aus COUNTDOWN 1/86 - Nachdruck ohne Genehmigung verboten!)

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